Maria, Mutter Gottes in Kevelaer

Trösterin der Betrübten - Consolatrix Afflictorum

Trösterin der Betrübten, Ausschnitt der Gedenktafel von 1738, St. Pankratius, Lommersum

In Kevelaer steht das Wallfahrtsbild der Trösterin der Betrübten mitten auf dem Kapellenplatz, auf den alle Hauptstraßen der Stadt noch heute ausgerichtet sind. Die alltäglichen Lebenswege der Menschen führen hier vorüber und laden ein zu einem kurzen Verweilen, sei es nun für einen Augenblick oder, wenn Pilger innehalten, für eine Stunde, für einen Tag oder etwas mehr. Dann aber geht jeder die Straßen seines Lebens weiter.


Das sind die Lebenswege, die schicksalhaft verschieden im Wechsel von Schatten und Licht eines jeden einzelnen Menschenlebens sich ereignen. Wer vom Schicksal getroffen ist, steht sehr schnell auch vor einer Wand von Vorurteilen, so dass er sich noch unverstandener und noch mehr alleingelassen fühlt als bei anderen Gelegenheiten. Misstrauisch ist man gegenüber jedem Wort eines anderen; denn was kann mir der schon sagen, der meinen seelischen Schmerz gar nicht kennt! Und so stehen wir dem Rat der wohlgemeinten Theorie vom grünen Tisch aus oder den klugen Gedanken aus schlauen Büchern skeptisch gegenüber.
Was aber lässt den Menschen in guten und bösen Tagen den Weg finden zu Maria, der Mutter Jesu, der Consolatrix Afflictorum (Trösterin der Betrübten)?

 

Die Gründe sind so zahlreich und verschieden, wie es Menschen gibt, die hierher (nach Kevelaer) kommen aus Freude und Dankbarkeit, mit tiefem Glauben oder aus seelischer Not, in Zweifel und Sorge. Der Letzteren wegen geschehen heute immer noch die eigentlichen Wunder in Kevelaer, in der Beichtkapelle, in dem dort nämlich über die Trümmer eines Lebens das Fundament zu einem Neuanfang gelegt wird in der Tiefe des Herzens. Eigenartig, die Anziehungskraft dieses Ortes strahlt ein kleines, unscheinbares Bild aus, das uns an die Jungfrau und Gottesmutter Maria erinnert, die hier unter einer alten Anrufung der Christenheit verehrt wird als Consolatrix Afflictorum, als Trösterin der Betrübten... Das Gehen zur Trösterin der Betrübten meint jedoch... nicht das Trostsuchen in einer Traurigkeit, wenn jemand trauert zum Beispiel, weil er den Zug verpasst hat oder ein erwarteter Brief noch nicht angekommen ist, sondern Consolatrix Afflictorum meint, wörtlich übersetzt, Trösterin derer, deren Leben fast am Ende ist, weil, vom Schicksal zerschlagen, sie sich wie am Boden zerstört fühlen, zugrunde gerichtet, fast unfähig, sich selbst zu erheben. Das sind die Afflicti, ohne Hoffnung auf Zukunft, weil sie nicht mehr durchblicken können, den Sinn des Lebens aus dem Auge verloren haben und den Glauben als Kraftquelle nicht mehr sehen, weil die Konflikte so gewaltig sind, dass man den Knoten selbst nicht mehr zu lösen vermag.


Dann machen sich gläubige Menschen auf den Weg zu Maria; aber auch immer dann, wenn der Mensch an die Grenzen des Machbaren gelangt ist und erfährt: Hier geschieht mit mir etwas, das mein Leben reicher oder ärmer macht, wie das Glück, einen Partner gefunden zu haben, der sein Leben an meines bindet und an den ich mich binden möchte — nicht um gebunden zu sein, sondern um gehalten zu werden...
Aus: Richard Schulte Stade, Das Marienbild am Weg, Gedanken zum Wallfahrtsbild von Kevelaer, Wallfahrtsleitung Kevelaer 1989, Butzon u. Bercker Kevelaer, S. 4-5.

Gebet Papst Johannes Pauls II. vor dem Gnadenbild der Trösterin der Betrübten am 2. Mai 1987

 

Sei gegrüßt, Jungfrau Maria, Mutter unseres Erlösers, Mutter der Kirche und unsere Mutter! Als Pilger zu diesem Gnadenort Kevelaer reihe ich mich ein in die Schar der ungezählten Gläubigen, die hier vor deinem Bild dein Lob gesungen haben. So erfüllt sich auch durch uns das Wort der Schrift: „Von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter.“ Mit dir preisen wir unseren Herrn und Gott, der auf die Niedrigkeit der Menschen schaut und Großes für uns getan hat durch den Tod und die Auferstehung seines Sohnes. Mit allen Pilgern, die sich mit meinem Gebet vereinen, rufe ich dich an als unsere Hoffnung und Quelle des Trostes. Maria, Trösterin der Betrübten, bitte für uns. Deiner mütterlichen Liebe und Fürsprache empfehle ich heute alle, die sich voll Zuversicht an dich wenden. Zu dir kommen die Gesunden und Glücklichen; erhalte in ihnen Freude und Dankbarkeit und mache sie empfänglich und hilfsbereit für die Not ihrer Mitmenschen nah und fern. Zu dir kommen die Kranken; sie beten um Gesundheit der Seele und des Leibes. Hilf ihnen ihr Leid tragen; lindere ihre Schmerzen und erbitte ihnen darin Trost und Heil. Zu dir gehen die Blicke der Einsamen und Verlassenen, vor dir weinen die Trauernden. Lass sie erfahren, dass du unter dem Kreuz unsere Mutter geworden bist und vor allem denen mütterlich nahe bist, die deiner Hilfe besonders bedürfen. Vor dir stehen die jungen Menschen, die in das Leben hineingehen Leuchte ihnen als heller Stern in den Dunkelheiten der Pilgerschaft, dass sie nicht abirren vom Weg des Glaubens. Vor dir stehen die Menschen in der Mitte des Lebens; lass sie nicht mutlos werden, stärke sie in ihren täglichen Aufgaben und führe sie immer tiefer in die Nachfolge deines Sohnes. Vor dir stehen die Alten, die wissen, dass sich ihr Weg durch dieses Erdental dem Ende zuneigt. Mit ihnen beten wir: Heilige Maria, zeige uns nach diesem Elende Jesus, die gebenedeite Frucht deines Leibes. 0 gütige, o milde, so süße Jungfrau Maria. Deinem mütterlichen Schutz empfehlen wir zugleich die ganze Kirche in diesem Land und aller Welt, die Bischöfe, Priester und Ordensleute, die Alleinstehenden, die Familien und die Pfarrgemeinden. Mögen alle Christen wachsen in Glaube, Hoffnung und Liebe. Mache sie zu glaubwürdigen Zeugen deines Sohnes, seiner befreienden Wahrheit und erlösenden Liebe, in der allen Menschen guten Willens ewiges Heil verheißen ist. Mutter des ewigen Wortes, lehre uns, Christus entgegenzugehen, unserem wiederkommenden Herrn und Retter, in dessen seliger Gemeinschaft du lebst und für uns eintrittst jetzt und alle Tage und in Ewigkeit. Amen.

Am Ende eines anstrengenden Wallfahrtstages: Abschlussgebet vor dem Gnadenbild der Mutter Gottes, 22.08.2009