Zu Vernich stand ein Ritterschloß, das einsam jetzt in Trümmern liegt, doch heut' ragt eine Kirche groß, in Ziegelsteinen fest gefügt.
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Ihm nahet eine Dame mild und spricht: "Was fehlt dir, alter Mann?" "Herrn Junker Hugo suche ich, sein Haus doch niemand zeigen kann!"
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Wer diese Kirche hat erbaut und ausgestattet reich an Zier, will ich erzählen treu und traut in einfach schlichter Weise hier.
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"Nennt Namen mir und seinen Stand und sagt, was er allhier hantiert!" "Er ist der höchste Herr der Stadt, der höchste Priesterrang ihn ziert!"
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Vor hundert Jahren zog zu Burgeshöh'n ein glücklich' edles Ehepaar, umblüht von Kindern hold und schön, geliebt von des Gesindes Schar.
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"Ist's denn vielleicht der Kurfürst gar?" "O gnäd'ge Frau, so nennt man ihm, sein Rang mir altem Mann entfiel. Des Himmels Dank sei Euch verlieh'n!"
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Vor allem war's der Meisterknecht, der Hannes, der mit Liebe hing an seiner Herrschaft wohl und recht, mit ihren Kindern spielen ging.
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Die Dame zeigt ihm den Palast des Fürsten, und der Alte nimmt den Korb und eilt zum Schloß in Hast mit neuem Mut und frohgestimmt.
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Ein Knabe munter, mild und gut war Hugo, des Burgherren zweiter Sproß, der gern auf Hannes' Knien ruht, den liebend Hannes' Arm umschloß.
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Die Wache herrscht ihn trotzig an: "Mit deinem Korb pack dich fern!" Er aber spricht: "Macht freie Bahn! Ich komm vom Vater Eures Herrn!"
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Als Hugo, nun gereift zum Jüngling, das Vaterhaus verlassen sollte, um auf die hohe Schul' zu zieh'n, des Hannes Träne heimlich rollte.
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Jetzt eingelassen durch das Tor, den stattlichen Hof er durcheilt und sieht den Bischof in dem Park, wo betend er im Schatten weilt.
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Und da die Abschiedsstunde naht, kniet Hugo zu der Eltern Füßen, dass sie ihn segnen, eilet dann zum Hannes, und beider Tränen fließen.
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Der Alte nimmt die Mütze ab, ein banges Zittern kommt ihn an, als er die hohe Durchlaucht sieht mit mildem Ernst ihm langsam nah'n.
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Und kam dann in des Jahres Lauf Herr Junker Hugo zur Vakanz, so ging des Hannes Herz weit auf, sein Auge strahlte Freudenglanz.
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Doch als der hohe Fürst erkennt das Antlitz von dem braven Knecht, da reicht er lächelnd ihm die Hand, als wär er von gräflichem Geschlecht.
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Dann saß Herr Hugo bei dem bied'ren Knecht, erzählend viel von seinen Geschicken, und Hannes horchte zu so recht, sein Auge hing an Hugos Lippen.
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"Willkommen Freund", so spricht er Fürst, "Wie freut mich Dein Erscheinen! Oft habe ich an Dich gedacht. - Wie geht es dir, wie geht's den Meinen?"
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So ging es fort der Jahre zehn, - Herr Hugo wählt' den Priesterstand, entzückt sah ihn der Knecht nun steh'n an dem Altar im Meßgewand.
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"Gott segne Euer Vaterhaus, ich lebe ganz zufrieden dort. Zu einem frohen Tod mir fehlt nur Euer Segen und Abschiedswort.
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Der Priester stieg von Rang zu Rang, erhielt den Trierer Bischofshut, und mied die Heimat Jahre lang, besorgend Reich und Kirche gut.
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Mit Sehnsucht bin ich hergeeilt, ich konnt' dem Drang nicht widersteh'n, Herr, Euer liebes Angesicht, bevor ich sterbe, noch zu seh'n.
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Der Meisterknecht ward schwach und greis', doch bliebt er frei von Sorg' und Not, er war geliebt vom Dienerkreis und aß der Herrschaft Gnadenbrot.
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Seht, diese Birnen in dem Korb' von jenem Baum ich freudig pflückte, den wir zusammen einst gepflanzt, als Eure Jugend mich beglückte."
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Ihn machte froh des Burgherrn Glück und seiner Kinder edle Art, doch ward oft tränenfeucht sein Blick: des Hugos Trennung war ihm hart.
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Der Kurfürst wandte sich, er hielt der warmen Tränen Lauf mit Müh'. Zum Alten er dann huldreich sprach: "Dein treues Herz vergeß' ich nie!"
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Betrübt sucht' er die Stelle auf, wo einst er spielte mit dem Kind und wo er bei dem Jüngling saß. - Er seufzt, und seine Träne rinnt.
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Er führt den Müden in sein Haus, ihm freundlich dankend für die Gabe, und läßt ihn ruh'n von Mühen aus und gibt ihm Speis' und Trank zur Labe.
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So schritt er einst gedankenschwer im Herbste durch den Gartenraum, und plötzlich steht er still umher, er schaut bis hin zu einem Baum.
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Der Hofstaat staunt, wie hohe Gunst dem armen Manne wird gewähret, der an des Fürsten Tafel sitzt und doch von Allen wird geehret.
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"Mein Hugo pflanzte ihn als Sproß, den jetzt bekränzt der Früchte Last. Sieh', voll von Birnen schön und groß neigt erdenwärts sich jeder Ast!
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Nach dreien Tagen nimmt der Knecht den Stab, den Heimweg anzutreten. Ihm reicht der Fürst ein Sümmchen Gold und spricht: "Du mögest für mich beten!"
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O wär'st du hier, geliebter Herr, und säh'st das Werk von deiner Hand, wie freute sich dein treuer Knecht, der hier mit dir das Pfropfreis band.
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Abwehrend da der Alte spricht: "Für Gold nicht tat ich meine Schritte, doch, Herr, wollt Ihr mir Gunst verleih'n, so hab' ich eine fromme Bitte!"
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O goldner Einfall sei gegrüßt! Ich fülle in der Morgenfrüh' von diesen Birnen einen Korb und trage weit zu Hugo sie!"
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"Mach' kund den Wunsch, mein alter Freund. Was Du begehrst, das tu ich gern!" "Ach, uns're Kirch' ist alt und klein, Herr, baut sie neu zum Ruhm des Herrn!"
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Gedacht, getan - voll sel'ger Freud' besteiget er den schlanken Baum, füllt schnell den Korb mit Frucht und reist', als früh der Morgen dämmert kaum.
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"Ich werde Deinen Wunsch vollzieh'n. Hier hast Du meine Hand darauf!" - Bald Vernichs Kirch' in wenig Jahr'n baut schön und groß der Kurfürst auf.
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Er zieht bergauf, bergab den Weg, die Freud' beflügelt seinen Fuß. Schwer ist die Last, ihm macht sie leicht des Wiedersehens Vorgenuß.
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Der erste, dem die alte Glock' zum Grabe sang vom neuen Turm, war Hannes, der im sel'gen Tod zur Ruh' ging aus des Lebens Sturm.
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Im Sonntagsstaat, den Korb im Arm, bestaubt und müd' erreichet er die Residenz am vierten Tag, und fragt nach Hugo hin und her.
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Und keinen in dem Dorf es gab, den nicht des Hannes Tod gerührt. Und lange stand des Braven Grab mit frischen Blumen stets geziert.
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Er fraget links, er fraget rechts: "Wo wohnt Herr Junker Hugo hier?" Die Einfalt des treuherz'gen Knechts wird ausgelacht von Tür zu Tür.
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Den Birnbaum haben noch geseh'n viel alte Leut' vor manchen Jahren. O mögen die Geschichte schön die Vernicher stets treu bewahren.
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Als er umsonst oft nachgefragt: "Wo wohnt Herr Junker Hugo mein?" Entflieht sein Mut, und weinend setzt er sich auf einen Brückenstein.
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